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Ein Tag aus der Sicht eines Pferdes

5:15 Uhr – Huch, es ist schon wieder Morgen. Mal wieder eine kurze Nacht gewesen. (Der Noriker und der Friese konnten die ganze Nacht keine Ruhe geben – aber die kommen auch noch in das Alter, wo man bemerkt wie wichtig Schlaf ist.) Aber muss dieser Mensch jedes Mal so unangekündigt das Licht einschalten?

 

Erstmals Strecken, bisschen gähnen um zu demonstrieren wie müde man ist und dann das gewohnte Gefühl spüren, dass es wieder Zeit ist für Heu, sehr viel Heu.

Hätt ich jetzt nicht so viel Hunger, würde ich niemals so brav meinen Kopf in das Halfter stecken, aber anderer Seits, der Mensch freut sich auch immer wieder aufs Neue, wenn ich ihn in dem Glauben lasse, dass ich das mache was er von mir will.

 

5:30 Uhr – Die Motivation bei meiner Herde lässt in der Früh immer sehr zu wünschen übrig. Mal schauen ob ich sie mit ein bisschen jagen, vom Morgensport überzeugen kann. – Los geht’s! (Hügel hinunter, hinter der Jauchengrube vorbei, ein bisschen ausschlagen, quietschen und noch eine Runde.

 

10:00 Uhr – Huuuch, pfffff. Die ganze Herde döst. Alle sind vollgefressen und haben sich gerade genüsslich gewälzt. Jetzt geh ich mal zum Wassertrog und trink ihn leer. Was macht der Noriker da? Trinkt sie ernsthaft, obwohl ich das gerade machen will? - Chefin kommt jetzt, sie hat Platz zu machen. (gestreckter Galopp, beide Hinterbeine in der Luft, quietsch) Jeden Tag auf’s Neue muss ich mich hier behaupten. – Nach ein paar Minuten war plötzlich der Trog leer. Und jetzt zeig ich den Menschen mal was ich davon halte. Schnappe mir den Trog, schmeiße ihn ein paar Meter weit, wiederhole den Vorgang ein paar Minuten lang. Um meinem Tuen noch zusätzlichen Ausdruck zu verleihen, trete ich noch ein paar Mal in und gegen den Trog.

 

13:10 Uhr – „Hallo, Mäuse!“ – Uii Futterlieferantin ist auf dem Weg zu uns. Wird aber auch Zeit, wusste schon fast Garnichts mehr mit der Zeit anzufangen. Gut das wir immer drei Säcke bekommen, dann bleiben zwei mir. Wobei mir das schon manchmal auf die Nerven geht. Immer dieses blöde Herumzupfen, bis man da ein paar Halme heraus bekommt. Aber ein Haflinger wie ich ist ja nicht blöd. Einfach so lange hinein treten, bis es reißt. Man muss sich halt zu helfen wissen.

Ich verstehe sowieso nicht, wieso wir diese Netze bekommen. Naja beim Noriker muss man schon achten, ist in letzter Zeit ziemlich rund geworden, aber meine Figur ist tadellos. Außerdem schlinge ich nicht und huste auch nur ein paar Mal, aber nicht weil ich so schnell esse.

 

15:00  Uhr - Ich höre Stiefel auf dem Asphalt klackern, dass kann nur mein Mensch sein. „Jascha, komm her!“ – Ja das ist mein Mensch und sie hat bestimmt wieder Leckerlies mit. Gemütlich lass ich mir das Halfter anlegen und geh mit ihr raus auf die Straße. Dass sie uns immer unnötigen Gefahren aussetzen muss. Aber gut, dass ich (fast) immer die Kontrolle bewahre.

 

15:40 Uhr – Nach unzähligen Autos, Spaziergängern und dem Unbekannten Nichts, das hinter jeder Ecke lauert, entschloss sich mein Mensch dazu, wieder zum Stall zurückzukehren. Wird ja auch Zeit, immerhin gibt es bald Abendessen. Ich wollte die Zeit bis zum Stall durch ein bisschen Trab und eventuellen Galopp verkürzen, aber sie konnte oder wollte nicht Schritt halten und bremste mich immer wieder ein. Versteh einer die Menschen!

 

16:30 Uhr  – Im Stall angekommen, wurde bereits von der Herde Mensch der Mist hinaus geradelt und Futter bereitgestellt. So wird man doch gerne empfangen. Ich als Leitstute werde in meine VIP-Lounge gebracht (die anderen nennen es Box, aber die haben halt auch nicht dieselben Privilegien wie ich).

 

19:00 Uhr – Nachdem endlich alle Menschen den Stall verlassen haben, widme ich mich meinem Heunetz, welches aber leider schon nach kurzer Zeit wieder leer ist.

Nachdem der Noriker den Friesen zum gefühlt 100sten Mal durch den Offenstall jagt und ich manchmal meine Meinung dazu über die Bande meiner VIP-Lounge verkündet hatte, stelle ich mich jetzt ans Fenster, ein Bein angewinkelt. Wenige Minuten später fallen auch schon meiner Augen zu. Mal schauen, ob der Mensch in der Früh auch morgen wieder so früh das Licht einschaltet (manche würden einfach auf die Sonne warten, bis es hell wird, aber unsere Menschen sind da anders).

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