Die ersten Schritte.....es beginnt mit dem Führen

(Leittier)

Wie wohl viele Pferdebesitzer, so stellten auch wir uns die Frage: Warum lässt sich das Pferd nicht führen, oder rennt sogar von mir weg?

Ich stelle die Frage einfach mal andersrum. Warum soll das Pferd mit mir mitgehen?

Führen ist Vorangehen, und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Der Mensch bestimmt den Weg und die Gangart und das Pferd soll folgen. Es soll also den Menschen als Leittier akzeptieren. Für Pferde heißt das:

Der Mensch weiß was er tut – hat also einen Plan

 

  • Er kennt und ERKENNT all die vielen Gefahren die für das Pferd hinter jedem Siloballen, Busch und Hecke lauern – ist also voll konzentriert
  • Er versteht wenn das Pferd ihm Dinge zeigt, die ihm verdächtig oder unheimlich erscheinen.
  • Er beurteilt ob der angezeigte Geisterbusch oder Mördersiloballen nun gefährlich ist oder nicht, und teilt dies dem Pferd mit.
  • Stellt sich heldenhaft zwischen die (vermeindliche) Gefahr und das Pferd, und rettet die Pferdewelt

 

Zusammengefasst heißt das im Idealfall:

 

Beim Menschen zu sein bedeutet Sicherheit, Abgabe von Verantwortung und somit weniger Stress.

 

...aber nur wenn der Mensch das alles kann!               (hihi...klingt so einfach :-))

 

Hat das Pferd jedoch Zweifel an den Führungsqualitäten des Menschen, so wird sehr rasch Pferdeschutz vor Menschenschutz gestellt, und der Mensch als Kollateralschaden dem Siloballenlöwen geopfert.

Das mögen manche von uns sehr unromantisch, unkameradschaftlich oder zumindest unschön finden, für das Pferd ist es aber eine ureigene Reaktion einer bedrohlichen Situation durch Flucht zu entkommen. Dann helfen meist auch die verzweifelten Festhalteversuche nicht mehr.

 

Doch nochmal zurück zu den Führungsqualitäten. Unsere Pferde, und ich denke das kann man verallgemeinern, testen regelmäßig ob der Zweibeiner da seitlich vorne die Welt im Griff hat. Zumeist sind das ganz unscheinbare Dinge. Luna schleicht sich gerne von hinten näher ran und versucht meinen Hut zu schnappen. Oder sie überrascht den in andere Gedanken versunkenen Mensch mit einem 10m Galoppsprint um sich danach umzudrehen, und mit verdutztem Blick den Mensch mit soeben auf 220 gestiegenen Puls zu begutachten.

Jascha wird unmerklich schneller, oder macht beim Halt einfach einen Schritt mehr. Anfangs maß ich diesen Dingen wenig Beachtung bei, musste aber sehr schnell erkennen, dass hier sehr konsequentes Arbeiten wichtig ist. Sonst kriegen die Pferde die falschen Rückmeldungen und reagieren dementsprechend – sie entscheiden, dass das Menschlein im Moment nicht als Führer taugt, und organisieren sich anders :-)

 

...und...

 

...Pferde sind Meister im Lesen der Körpersprache wir können sie NIE täuschen!! - Also gar nicht erst versuchen.

Nein! Auch bei mir lief nicht wirklich alles von Anfang an rund. Ich durchlief mit unseren Pferden einen Lernprozess. Letztlich glaube ich einen ganz brauchbaren Weg gefunden zu haben. Da Luna als Pferdekind noch sehr ängstlich, aber groß und ihrer Stärke durchaus bewusst war, musste ich mir folgenden Plan überlegen:

 

  • ICH muss ihre Zeichen lesen lernen : wie zeigt sie mir Unsicherheit, was will sie mir zeigen, ect.
  • ICH muss meine Gedanken, somit meine Emotionen im Griff behalten, muss beängstigende Gedanken aus dem Kopf verbannen,
  • ICH muss den Pferden zeigen, dass alles in Ordnung ist
  • Meine Vorgaben (Richtung, Tempo, Körperhaltung) müssen klar und ehrlich sein
  • ICH muss dem Pferd beweisen, dass ich in beängstigenden Situationen alles voll im Griff habe.
  • ICH muss mir ihr Vertrauen erarbeiten und kann es nicht erzwingen.

...also alles kein Problem :-))

 

Wenn LUNA das Halfter angelegt wird, so bedeutet das Sicherheit, Spass und nicht Stress

LUNA darf flüchten – sie ist ja ein Fluchttier

 

Soviel zum Plan. Die Umsetzung sah folgendermaßen aus.

 

Alex hat das Prinzip schon mal beschrieben. Folgt auf mein Kommando oder Zeichen (= Druck) das beabsichtigte Pferdeverhalten (auch schon der klitzekleinste Ansatz) so wird der Druck sofort gelöst und ausführlich gelobt. Nicht gewolltes Verhalten wird möglichst emotionslos (ist gar nicht so leicht) korrigiert = Druck bleibt aufrecht

Oder als Beispiel: Ich geh voraus und Pferd soll mir folgen. Der Führstrick spannt sich leicht (= Druck), Pferd setzt zum Schritt an, und ich lass augenblicklich den Führst locker (= Bestätigung für richtiges Verhalten)

 

In ganz kleinen Schritten...und von Anfang an haben wir die einzelnen Ziele erarbeitet.

 

  • Komme ich zum Pferd, krieg ich ihre Aufmerksamkeit
  • Halfter anlegen
  • ruhiges Stehenbleiben ohne Fressen
  • Losgehen
  • Stehen bleiben
  • Führen rechts, Führen links
  • Innenkurve, Außenkurve
  • Alles im Schritt, dann im Trab
  • Heranführen an "bedrohliche" Situationen

 

Zu all diesen Themen folgen später unsere Erlebnisse.

 

All das erfordert natürlich vor allem ZEIT. Die Bereitschaft die eigenen Wunschvorstellungen zurückzustellen und das Pferdeverhalten zu verstehen, wird durch eine stetig stärker werdende Verbindung zum Pferd belohnt. Und das ist meine persönliche Motivation.

 

 

 

 

 

Ich verwende für die Arbeit, bei der schon mal der eine größere Sprung, Steigen oder ähnliches vorkommen kann gerne einen gut sitzenden gepolsterten Kappzaum mit einem ca. 4 Meter langen 16mm Perlonseil aus dem Baumarkt – lang genug um Abstand und die ersten Kraftdemonstrationen zu ermöglichen, und kurz genug um weder Pferd noch Mensch darin zu verheddern.

 

 

Letzten Endes ist das Halfter und der Führstrick nur ein Mittel zur Kommunikation. Einen Zugwettkampf wird der Mensch immer verlieren. Deshalb sind meiner Meinung nach beim Führen auch alle "einwirkungsverstärkenden Mittel" wie Trense, Kandare, scharfe, sägezahnähnliche Kappzäume (SERRETA) nur Dinge, die dem Pferd durch Schmerzen den Willen des Führenden aufzwingen. Das lehne ich ab, weil es einerseits das Vertrauen zerstört, und andererseits ein Zeichen dafür ist, dass die Beziehung Pferd-Mensch nicht stimmt.

Hallo Pferd – Hallo Mensch

Wer wünscht sich das nicht? Man kommt auf die Koppel und das Pferd hebt den Kopf, kommt freudig her und begrüßt schnuppernd den Menschenfreund. Was so aussieht wie aus einem Kitschfilmm, ist für viele Pferdebesitzer oft nur ein Traum. Mein Ziel war es, dass mein Pferd gerne bei mir ist, und gerne mit mir arbeitet. Das war Anfangs natürlich nicht so der Fall.

Da ich bekanntlich nicht mit Pferden aufgewachsen bin, durfte ich von den Erfahrungen vieler Pferdemenschen lernen.

Warum soll das Pferd also zu mir kommen und bei mir bleiben?

Wie schon weiter oben mal erwähnt muss immer wieder das Wesen des Pferdes berücksichtigt werden. Das Pferd ist ein Pferd und kein Mensch! Somit tickt ein Pferd nun mal nicht wie ein Mensch und hat handelt nicht nach der Menschenlogik.

 

Das Pferd hat sich seinen Platz in der Pferdherde erarbeitet, und erfüllt dort die gestellten Aufgaben. Es beobachtet die Umgebung, zeigt der Leitstute verdächtige Ungeheuer, respektiert die Ranghöheren und behauptet seine Position gegenüber den Rangniedrigeren.

Und nun kommt der Mensch. Der ist nicht mal ein Pferd! Ganz im Gegenteil – er ist ein Raubtier. Somit hat er vorerst eine klaren Platz in der Rangordnung – den am untersten Ende der Skala.

 

Als Mensch musste ich mir also den Platz in der Pferdeherde erst mal erarbeiten. Manche Menschen machen das mit Gewalt, was natürlich auch funktioniert. Wer das nicht glaubt, der denke nur an die vielen Diktatoren. Dieser Weg scheidet für mich kategorisch aus. Ich will ja als Leittier respektiert werden, und ich will, dass mir die Tiere aus freien Stücken folgen – Vertrauen in mich haben und Sicherheit bei mir finden.

Und noch etwas machen Pferde – zumindest unsere tun das. Sie testen ständig ob dieses Vertrauen noch gerechtfertigt ist.

 

Als ich zu Beginn auf die Koppel kam, da war ich für Luna nicht mal Luft! Sie ignorierte mich sehr ausdauernd. Sie drehte nicht mal ihre Ohren annähernd in meine Richtung. Ich musste mir also Respekt verschaffen. Ich stellte mich neben sie schnippte mit den Fingern und sagte:"Luna".

Sie rupfte am Gras und schenkte mir nicht ein Fünkchen ihrer Aufmerksamkeit. Schließlich zog ich meinen Handschuh aus, und als Luna weiter meine Ansprache und Schnippen igonrierte, warf ich ihn neben ihre Nüstern. Sie erschrak fürchterlich, sprang eine Riesensatz zur Seite und schaute mich an. Ich berührte ihre Nüstern streichelte über ihren Nasenrücken und lobte sie.

Luna graste genüsslich weiter, drehte aber ihre Ohren zu mir als ich sie wieder ansprach. Aber sie  fraß weiter. Sie beobachtete während dem Fressen wie ich den Handschuh auszog, ausholte und ihn wieder neben sie warf. Die Reaktion war übertrieben schreckhaft wie ich fand. Wieder sprang sie einen guten Meter zur Seite, drehte sich zu mir und schien zu sagen: WOW hab ich mich wieder erschreckt!! Noch zweimal folgte das selbe Spiel. Doch dann reichte ein Schnipp und "Luna", und schon kam sie her und holte sich ihre Krauleinheit :-)

 

 

Um es nochmal klar zustellen. Das Pferd kommt nicht zu mir weil es mich soooo lieb hat, sondern, weil es sich in meiner Nähe sicher fühlt, und meine Rolle als Ranghöherer respektiert. Weiters gibt es jede Menge Kraulereien, Aufmerksamkeit und gemeinsame Unternehmungen - UND ab und zu ein Apfelstückchen ;-))

Auf Schritt folgt Trab und Galopp

Als Leittier sollte (muss!!) man ja immer eine Plan haben und wissen wohin man will. Auch wenn man den Endpunkt der Reise noch nicht genau kennt, so ist es doch wichtig, das nächste Zwischenziel im Auge zu behalten. Ähnlich denke ich bei unserer Ausbildung mit den Pferden. Dabei gilt der Ausdruck Ausbildung durchaus für Luna und mich gleichermaßen. Daher sehe ich unsere Fortschritte als Ergebnis unserer Zusammenarbeit.

Eines dieser Zwischenziele war die Erarbeitung der schnellen Gangarten. Für Menschen die von Kindesbeinen an geritten sind, mag das alles etwas kleinlich und unspektakulär wirken. Für mich war das schon eine ziemliche Herausforderung. Schließlich hatte ich die Folgen eines Abstieges noch ziemlich klar vor Augen.

Also sorgte ich zuerst dafür, dass sich Luna nicht unnötig aufregt, übte am Boden auf unserer Reitwiese den Trab am Führstrick, an der Longe und an der Doppellonge. Und nach einer Trabstunde auf einem Warmblutwallach einer Bekannten klappten die ersten Trablängen. Es folgten die ersten Kurven und schließlich trabten wir Runde um Runde. In ähnlicher Weise gingen wir den Galopp an. Hier fungierte eine Warmblutstute für den Reiter als Lehrmeister.

 

Und dann der fantastische Moment....Luna trabte an, ich gab die Hilfe zum Galopp, Luna reagierte prompt und – ab ging die Post. WAS für ein Gefühl! Meine Freude kannte keine Grenze als ich bemerkte, dass trotz Vollgas Luna trotzdem auf feine Hilfen reagierte.  

Luna hat offensichtlich die Freue an den flotteren Gangarten gefunden. Schien Sie früher noch beim Trab zu fragen, ob denn ein schnellerer Schritt nicht auch genüge, so bewegt Sie sich nun wesentlich schwungvoller und freudiger. Inzwischen ist die massivste Schwachstelle beim Reiten (..der Reiter :-) ) auch etwas besser geworden und bleibt im Sattel. Gemeinsam arbeiten wir an unserer Balance in den Kurven und versuchen präziser zu werden. Auch wenn Luna manchmal gar nicht mag, und dies auch mit lautem Schnauben anzeigt, so lässt Sie sich doch immer wieder "überreden". Mit viel Lob und den gereichten Belohnungsapfelspalten trauen wir uns beide immer mehr zu. Inzwischen erzeugt ein durch Elsterngeschrei im Busch hervorgerufener Schreckensprung auch keinen Herzinfarkt mehr, und auch ein "Ich bin dann mal weg"-Wunsch von Luna läßt sich wegberuhigen. Ich habe den Eindruck dass Luna gelassener wird. Das kann natürlich auch daran liegen, dass ich sicherer im Sattel sitze, und unserer gegenseitiges Vertrauen gewachsen ist.

 

...das nächste Zwischenziel ist schon ins Auge gefasst :-)

Freiheitsdressur                          Gelassenheitstraining                         Clicker